Hatte Freud mit seinen Träumen also doch recht? Hiers die Forschung, die hilft, es zu erklären

Es ist die bekannteste – und vielleicht berüchtigtste – Theorie der Träume in der westlichen Welt. Um die Jahrhundertwende veröffentlichte Sigmund Freud sein Buch „Die Traumdeutung“, in dem er argumentierte, dass unsere Träume nichts anderes als Wünsche sind, die wir im Wachleben zu erfüllen suchen. Einige dieser Wünsche sind relativ unschuldig, und in diesen Fällen stellen unsere Träume den Wunsch so dar, wie er ist. Es gibt aber auch Wünsche, die für uns so inakzeptabel sind (z.B. sexuelle oder aggressive Impulse, die wir uns nicht eingestehen oder ausleben können), dass unsere Träume sie zensieren müssen.

Solche inakzeptablen Wünsche werden typischerweise vom bewussten Wachbewusstsein unterdrückt, tauchen aber im Traum in einer unerkennbaren und oft bizarren Weise auf. Doch mit Hilfe eines Psychoanalytikers und Methoden wie der freien Assoziation, so argumentierte Freud, könne der Wunsch hinter dem Traum entdeckt werden.

Sigmund Freud. wikimedia

Trotz ihres Ruhmes und ihres Einflusses auf andere psychologische Theorien ist die Theorie in den letzten Jahren in Verruf geraten und wurde von modernen Traumforschern rundweg entlarvt. Inzwischen gibt es Dutzende von Theorien darüber, warum wir träumen – von der Verarbeitung unserer Emotionen über die Stärkung neuer Erinnerungen bis hin zum Üben von sozialen oder bedrohlichen Situationen. Aber keine Theorie dominiert mehr, wie einst die von Freud.

Aufschlussreiche Experimente

In den letzten zehn Jahren hat jedoch eine neue Reihe von Experimenten begonnen zu zeigen, dass zumindest ein Teil von Freuds Theorie doch richtig gewesen sein könnte: dass wir von Dingen träumen, die wir am liebsten ignorieren würden.

Das erste dieser Experimente wurde von Daniel Wegner durchgeführt, der feststellte, dass, wenn wir uns anstrengen, einen Gedanken zu ignorieren oder zu unterdrücken, er oft einfach zurückkommt. Er schlug vor, dass dies daran liegt, dass wir zwei psychologische Prozesse gleichzeitig am Werk haben, wenn wir versuchen, einen Gedanken zu unterdrücken: einen Arbeitsprozess, der ihn aktiv unterdrückt, und einen Überwachungsprozess, der nach dem unterdrückten Gedanken Ausschau hält. Die Gedankenunterdrückung ist also kompliziert und kann nur gelingen, wenn beide Prozesse harmonisch zusammenarbeiten.

Wegner schlug vor, dass diese Prozesse während des Rapid-Eye-Movement (REM)-Schlafs versagen könnten. Während des REM-Schlafs werden Teile des Gehirns deaktiviert, die für die Gedankenunterdrückung benötigt werden – etwa jene, die an Aufmerksamkeit, Kontrolle und Arbeitsgedächtnis beteiligt sind. Da wir wissen, dass ein großer Teil unserer Träume aus dem REM-Schlaf stammt, stellte Wegner die Hypothese auf, dass viele unterdrückte Gedanken im Traum wieder auftauchen.

Interessanterweise gelang es ihm 2004, diese Idee zu testen. In seinem Experiment wurden die Teilnehmer gebeten, eine Person zu identifizieren, die sie kannten, und dann fünf Minuten lang einen Bewusstseinsstrom (über alles, was ihnen in den Sinn kam) zu schreiben, bevor sie in der Nacht zu Bett gingen. Der ersten Gruppe dieser Teilnehmer wurde ausdrücklich gesagt, dass sie während der fünf Minuten des Schreibens nicht an die Person denken sollten, während einer zweiten Gruppe gesagt wurde, dass sie speziell an sie denken sollten. Eine dritte Gruppe konnte an alles denken, was sie wollte. Als sie am Morgen aufwachten, notierten alle Teilnehmer alle Träume, an die sie sich in dieser Nacht erinnern konnten. Die Ergebnisse waren eindeutig: Die Teilnehmer, die angewiesen wurden, Gedanken an eine Person zu unterdrücken, träumten viel häufiger von ihr als die Teilnehmer, die angewiesen wurden, ihre Gedanken auf die Person zu fokussieren und die Teilnehmer, die an alles denken konnten, was sie wollten. Wegner nannte dies den „Traum-Rebound-Effekt“.

Seit diesem Experiment haben wir eine Menge mehr über den Traum-Rebound-Effekt gelernt. So hat man zum Beispiel herausgefunden, dass Menschen, die generell eher zur Gedankenunterdrückung neigen, mehr Traum-Rebound erleben und dass die Unterdrückung eines Gedankens nicht nur zu mehr Träumen darüber führt, sondern auch zu mehr unangenehmen Träumen.

Antonio de Peredas Gemälde von 1655. wikimedia

In einigen meiner jüngsten Forschungen habe ich herausgefunden, dass Menschen, die generell versuchen, ihre Gedanken zu unterdrücken, nicht nur mehr von ihren emotionalen Erfahrungen aus dem Wachleben träumen – insbesondere von unangenehmen Situationen – sondern auch eine schlechtere Schlafqualität und ein höheres Maß an Stress, Angst und Depression haben als andere. Tatsächlich wissen wir heute, dass die Unterdrückung von Gedanken mit einer ganzen Reihe von psychischen Problemen zusammenhängt.

Deshalb müssen wir unbedingt besser verstehen, was mit den Gedanken passiert, wenn wir versuchen, sie zu unterdrücken. Unseren Träumen Aufmerksamkeit zu schenken, könnte uns also helfen, Dinge in unserem Leben zu identifizieren, denen wir nicht genug Aufmerksamkeit schenken und die uns Probleme bereiten. Dies könnte bedeuten, dass es sinnvoll ist, Traumarbeit in der Therapie zu erforschen. Tatsächlich haben neuere Forschungen gezeigt, dass das Erforschen von Träumen ein effektiver Weg ist, um persönliche Einsichten zu erlangen – sowohl innerhalb als auch außerhalb von Therapiesettings.

Das Urteil über Freud

Es gibt immer noch viele Aspekte von Freuds Theorie des Träumens, die nicht empirisch getestet wurden (und auch nicht getestet werden können). Es ist möglich zu argumentieren, dass in fast jedem Traum Erfüllung im Spiel ist, aber es ist unmöglich, dies zu beweisen oder zu widerlegen. In späteren Schriften gab Freud zu, dass die Theorie nicht alle Arten von Träumen erklären kann, wie z. B. die Albträume, die mit posttraumatischen Belastungsstörungen in Verbindung gebracht werden. Seine Theorie nimmt dem Träumer auch die Deutungshoheit über den Traum ab und legt sie in die Hände des Analytikers, was im Widerspruch zu ethischen Richtlinien für die Traumarbeit steht, die heute üblicherweise befolgt werden.

Dennoch haben einige Aspekte der Theorie den Experimenten standgehalten – zum Beispiel sind Träume aus dem REM-Schlaf voll von aggressiven Interaktionen, was Freud als Beweis für unterdrückte aggressive Impulse, die sich in unseren Träumen abspielen, verwendet haben könnte.

Während also das genaue Ausmaß, in dem Freuds Theorie über Träume richtig war, unklar bleibt, sieht es zumindest in einer Hinsicht so aus, als hätte er doch recht gehabt: Träume sind wirklich der Königsweg zum Wissen über das Unbewusste – wo verbannte Gedanken weiterleben.

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